15/07/2025
Stellt Euch vor, es würde in Welpengruppen viel mehr darum gehen, mit den kleinen Puschelchen darüber zu sprechen, dass sie ihre Impulse in den Griff bekommen und am Ende sogar höflich höflich wären… 🥳🥳
Wer F…rieden will, muss höflich sein!
Sabine ist genervt.
Schon zum wiederholten Male ist ihre halbwüchsige Labi-Hündin Sina von einem anderen Hund auf links gedreht worden. Dabei ist Sina ein total netter Hund, hatte noch nie etwas böses im Sinn und ist immer gut gelaunt! Eine Frohnatur, die das Leben liebt und die Liebe lebt!
Nur kommt das bei anderen Hunden offensichtlich nicht immer so an, wie es gemeint ist.
Nun hat Sabine ein Tierarzt-Abo, bei dem wieder kleine Löcher und Schrammen versorgt werden müssen, die ihr diesmal der böse ungehobelte Rottweilerrüde Attila in den Pelz gestanzt hat, als sie ihn mit ihrer Liebe überschütten wollte.
Dabei hat Sina sich so viel Mühe gegeben, Attila zu gefallen, war trotz seiner ersten unfreundlichen Ansage, sich vom Acker zu machen, freundlich geblieben, und hatte ihn trotz seiner Unfreudlichkeit unermüdlich und fröhlich davon überzeugen wollen, dass sie ihn mag und mit ihm umher toben wollte. Aber Attila versteht wohl keinen Spaß und wusste sich am Ende nicht mehr anders zu helfen, als einmal kurz Ernst zu machen.
So ein A***h!
Jedenfalls sieht Sabine das so. Sie ist geneigt, den Vorfall dem Veterinäramt zu melden, damit Attila, wenn dieser Schläger schon frei herumlaufen darf, wenigstens einen Maulkorb tragen muss, damit er keine lieben, wehrlosen, unterlegenen Hunde mehr beißen kann! Und dann noch eine Hündin! Welcher Kerl vergreift sich denn an Mädels???
Wer ist nun Schuld an der Misere?
Attila, der mal richtig zugelangt hat, als es ihm gereicht hat?
Attilas Herrchen, der ihn nicht gut erzogen hat?
Die Zucht, die solch gefährliche Hunde hervorbringt?
Oder vielleicht die Genetik einer kleinen Hundedame, die sie Nettigkeit nicht von Höflichkeit unterscheiden lässt?
Oder am Ende Sabine, die ihrer Sina nicht die Möglichkeit gegeben hat, zu lernen, wie man sich anderen Hunden gegenüber höflich verhält?
Diese kleine Geschichte ist zwar frei erfunden (und Namen und Rasse - Erwähnungen sind rein zufälliger Natur), aber sie ist sicher schon so, oder so ähnlich mehr als einmal passiert.
Oft wird dann der Hund an den Pranger gestellt, der dem netten Hund ein blaues Auge verpasst hat, obwohl er das ggf. mehrfach vorher angekündigt, oder bei sehr viel Nettigkeit des Gegenübers, auch direkt zugelangt hatte.
Und hier befinden wir uns inmitten eines Konfliktes, der seinen Ursprung darin hat, dass freundliche, aber körperlich sehr robuste Hunde mit meistens hohem Energieniveau ihren Impulsen, andere Hunde mit sich selbst zu beglücken nachgehen, ohne je gelernt zu haben, dass es vor allem im Erstkontakt auch unter Hunden eine Etikette gibt, die im Idealfall eine gewisse zurückhaltende Höflichkeit beinhaltet.
Treffen sie dann auf einen Hund, der Wert auf einen höfliches und respektvolles Gespräch legt, bevor er sich umarmen und küssen lässt, kann es sein, dass dieser seinen Anspruch mit konstruktivem Aggressionsverhalten untermauert, was in passender Intensität weder verwerflich, noch unpassend wäre.
Je nach Energieniveau und Robustheit des „netten“ Hundes kann da schon mal ein blaues Auge oder eine gebrochene Nase die Folge sein, ohne dass dies vom anderen Hund ursprünglich so intendiert war.
Noch blöder wird es, wenn unser „netter“ Hund eine gewisse Größe mit sich bringt und kleinere Hunde, die vielleicht auch noch etwas ängstlich sind, so mit seiner wilden, ungestümen Liebe überschüttet, dass sie schreiend das Weite suchen, verfolgt von einem wabernden Flokati, der es eigentlich nur nett meint…
Es macht also Sinn, Hunde schon von Beginn ihres Lebens an entweder anzuleiten, wie man sich verhält, wenn man auf Artgenossen trifft, oder sie auf Artgenossen treffen zu lassen, die einer in der Intensität passenden Anleitung mächtig sind.
Impulse können nur dann kontrolliert werden, wenn die Bremsleistung stimmt.
Und hier sind wir beim Punkt, der Essenz, der eigentlich logischen Schlussfolgerung, dass sich schon Welpengruppen nicht vornehmlich um Formalismus und Grundgehorsam drehen sollten, sondern darum, dass schon die kleinen lernen, Impulse zu hemmen, statt ihnen unreflektiert nachzugehen, und das auch aushalten können.
Mit dieser Ausstattung im Gepäck steht einem stressarmen und sorgenfreien Leben nichts mehr im Wege, denn sie können sich auch ohne viel Formalismus in die Gesellschaft einfügen, und es bedarf nur relativ schwacher Korrekturen, wenn mal eine Grenze gesetzt werden muss.
Solche Hunde gelten als „gut erzogen“, und werden als höflich und sozialkompatibel empfunden. Sie können sich gut anpassen und integrieren sich fast von selbst.
Ein Hund, der „Sitz“ und „Platz“ beherrscht, sich aber sonst nicht im Griff hat, ist einem Kind ähnlich, das zwar gelernt hat, wie man Messer und Gabel benutzt, aber in der Kita der kleinen Marie die Schüppe überzieht, weil sie das Förmchen zuerst hatte, und es gerade noch nicht hergeben will.
Mit einer gut ausgebildeten Selbstregulation lebt es stressärmer und glücklicher - scheiß auf Messer und Gabel!
(c) Lennart Peters @ canis beatus - der Blog.