22/10/2025
Für Hector.
Als ich wusste, dass Hector sterben würde, hatte ich die Wahl dazwischen, ihn zeitnah durch die Tierärztin erlösen zu lassen, oder ihm die Zeit zu geben, zu Hause zu sterben.
Ich entschied mich für Letzteres.
Zunächst war es fast skurril, weil er sich durch die Gabe von Cortison noch einmal aufbäumte und quasi komplett regenerierte. Es schien surreal, dass er tatsächlich bald sterben würde.
Dann kam der Abstieg, und Hector wurde immer…. kleiner…stiller. Er schwand mehr und mehr.
Erst fraß er nur noch das absolut bevorzugte Fressen.
Dann fraß er gar nicht mehr.
Zunächst trank er noch viel. Danach nur noch ein paar Schlucke. Letztendlich konnte er Flüssigkeit kaum noch bei sich behalten.
Ich fragte mich, was diese Erfahrung mit meinen Kindern machen würde.
Würde es sie völlig verschrecken; gar traumatisieren?
Der Tod wurde über viele Tage Teil unseres Lebens.
Die Kinder erlebten, wie Hector Stück für Stück verschwand…wie er immer kleiner wurde.
Es wurde für sie normal, dass ein sterbender Hund bei uns lebte.
Ein Hund, der anfangs noch aufstand, wenn sie nach Hause kamen und nach dem sie kurze Zeit später suchen mussten, um zu sehen, wohin er sich bewegt hatte.
Letzteres fiel irgendwann weg, weil er sich nicht mehr bewegen konnte.
Und so wurde es normal, dass sie kurz einmal „checkten“, ob er noch lebte.
Und irgendwann war auch diese Phase zu Ende, weil Hector starb.
Nachdem wir Erwachsenen uns darüber einig waren, dass der Zustand von Hectors Körper so war, dass die Kinder ihn auch im leblosen Stadium sehen könnten, begruben wir ihn gemeinsam in unserem Garten und gestalteten sein Grab.
Gerade für Alaia (5 Jahre) war natürlich immer wieder ein großes Thema, was mit Hector passiert und wo er nun war….
Und so erklärte ich Folgendes – orientiert daran, dass Alaia in einem christlichen Kindergarten war:
„Hectors Körper ist in der Erde. Er war krank.
Aber Hectors Seele ist im Himmel. Er ist über die Regenbogenbrücke gegangen und wurde vom lieben Gott empfangen. Und nicht nur vom lieben Gott – auch von ganz vielen anderen Hunden, die warten, um mit ihm über eine große grüne Wiese zu rennen. Dabei können sie so viele Leckerchen essen, wie sie wollen – so ist das im Himmel.“
Aber natürlich sagte Alaia immer wieder in vielen Situationen, wie sehr sie Hector vermissen würde…sie wollte ihn so gerne noch einmal anfassen, seine „puscheligen Öhrchen“ streicheln und ihn noch einmal sehen…
Natürlich wollte ich sie trösten und so sagte ich:
„Wenn wir in den Himmel schauen und auf einmal ein Sonnenstrahl kommt, dann ist das unser Hector, der ihn uns schickt. Und dann denken wir besonders an ihn.“
Was soll ich sagen – ich äußerte dieses während unseres Urlaubs, der völlig verregnet sein sollte und… Zufall oder nicht…
Wir sahen so viele Sonnenstrahlen, die wir gar nicht erwartet hatten - und an einem Tag sahen wir den schönsten doppelten Regenbogen überhaupt, der uns fast „folgte“, bis wir zu Hause waren.
Jedes Mal rief Alaia, mit so einer fröhlichen Stimme: „Danke, Hecci!!!“
…und mein Herz wurde warm und voller Liebe und Dankbarkeit für die vergangene Zeit.
Vor allem war und bin ich so dankbar, dass Alaia nicht über den Tod als absoluten Abschied denkt, sondern immer wieder die Präsenz unseres kleinen Hector in der Natur sieht…und in diesem Moment nicht trauert, sondern fröhlich ist.
Und so traurig ich immer wieder werde, weil ich meinen Hector vermisse, so dankbar bin ich auch darüber, wie meine Kinder durch Hector das Sterben und Abschied nehmen kennen gelernt haben….
Bei jedem Sonnenstrahl denken wir an ihn. Bei jedem Regenbogen in besonderem Maße…
Ganz, wie Immanuel Kant sagte: „Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird."
Hector…ich habe es Dir in Dein puscheliges kleines Ohr immer wieder kurz vor Deinem Tod geflüstert:
„Ich werde niemals vergessen, wie Du gerochen hast und welche Wärme Du in mein Herz gebracht hast. Ich liebe Dich bis zum Mond und zurück….ein ganzes Leben lang.“
Bei jedem Sonnenstrahl, den wir als Nächstes sehen, werde ich mit den Kindern rufen:
„Danke Hecci….“, und mein Herz wird weinen und meine Seele zu Dir hochschauen und lachen…
Bis zu Mond und zurück. Immer und immer wieder.
Ein ganzes Leben lang.
Deine "Mutti" Johanna.