26/08/2025
Überall lungenkranke Pferde und jede zweite Anzeige in Social Media dreht sich um kostenfreie Webinare rund um COPD oder equines Asthma. Weiß also wirklich jeder inzwischen, dass Pferd plus Luft eine schwierige Kombi sind.
Jeder? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern besetztes Dorf … ach nee, das war ja ne andere Geschichte.
Und trotz all dieser neudeutsch „Awareness“ schaffenden Berieselung komme ich immer wieder zu Kundenpferden und höre:
Der ist ein bisschen erkältet seit vorletztem Wochenende.
Hustet aber fast nicht, nur beim ersten Trab.
Ja neee, keinen Tierarzt dagehabt, ich bin momentan ja auch erkältet, ist ja frisch morgens. Und ich gehe ja auch zum Sport. Ich reite den ganz normal.
Leute! Echt jetzt?
Ich bin früher, zu meinen aktiven Laufzeiten, auch die 10 Kilometer gerannt, sobald meine Erkältung mir wieder ansatzweise genug Luft gelassen hat. Und seht mich an, es hat mir nicht geschadet!
Sehr blödes Argument.
Ich bin immer schon sehr entspannt gewesen mit meinen eigenen Wehwehchen (Tendenz: zu entspannt). Ähnlich relaxt bin ich nach 35 Jahren mit Pferden und einigen therapeutischen Ausbildungen mit bspw. Verletzungen. Das meiste heilt auch so wieder zusammen, ohne Tinkturen und Sprays und Salben. Dicken Beinen. Ausgebrochenen Hufen. So Zeug. Meine Einsteller verzweifeln da manchmal an meiner Einstellung (die, wohlgemerkt, nur für meine eigenen Pferde gilt).
Aber es gibt zwei Dinge, da ist bei mir ganz schnell Alarmstufe rot: Augen und Lunge. Weil mitohne Augen ist echt doof für so ein Pferd, und mitohne Lunge auch, kurz gesagt.
Das Pferd, zu dem ich kürzlich kam und bei dem ich die oben zitierten Sätze hörte, stand bei diesem Gespräch neben uns. „Die oberen Luftwege sind verschleimt“, sagte ich, und die Besitzerin fragte völlig verwundert, woher ich das wisse.
Weil ich telepathisch begabt und hyperempathisch bin!
… nicht.
Weil man es hört. Lange nicht so deutlich wie bei Luars Seufzer im Video, aber das leise Blubbern hört man doch.
Und wer wirklich nicht gut hören kann, der muss halt gucken. In aller Regel, wenn ich Besitzer frage: „Sind die Nüstern bei deinem Pferd öfter so weit?“, „Hat er beim Traben öfter dieses sehr offene Genick?“, „Sein Blick wird im Trab starr, hat er das öfter?“ oder „bei meinem letzten Besuch hier hat man die Schulterblattkante nicht so klar gesehen, seit wann ist das so?“ gibt es genau eine Antwort: „Weiß ich gar nicht, hab ich nie drauf geachtet.“
Davon sind unsere Pferde aber abhängig: Dass wir darauf achten. So viele Probleme kündigen sich subtil an, und dann könnten wir eingreifen. Warten wir auf die großen klaren Zeichen, dann ist die Trageschwäche da, das chronische Lungenproblem, der Fesselträgerschaden.
Luar lief die erste Runde Schritt bereits mit geweiteten Nüstern, und schon beim Putzen war mir aufgefallen, dass ihre Kreuzhöcker spitzer wirkten als sonst. Mehr muss ich nicht sehen um zu wissen, dass es ihr nicht gut geht.
Der Schnorchler am Ende des Videos bestätigte es, aber auch ohne ihn: hätte ich das Programm reduziert. Hätte sie locker joggen lassen, vielleicht kurz galoppieren für das wirklich tiefe Durchatmen, hätte sie nicht geritten, hätte ihr ein Mash mit Kräutern vom Boden gefüttert und geschaut, ob der Mukus durch die Bewegung verflüssigt wurde und aus der Nase tropft. Und das täglich, bis sie garantiert wieder fit ist. Kommt Husten dazu, läuft oder klebt gelber Rotz, läuft trotz Bewegung mehrere Tage nichts ab, aber die Nase ist hörbar nicht frei, kommt Fieber dazu - steht sogar bei „geht schon, der hat doch noch drei Beine!“-Kay ganz fix der Tierarzt auf dem Hof.
Denn das „ich laufe doch auch“ ist Blödsinn. Ich habe ein nicht nur absolut, sondern auch relativ zur Körpermasse viel kleineres Lungenvolumen (6 versus bis zu 55 Litern). Da puste ich täglich gerade mal 15.000 Liter Luft durch versus 90.000 beim Pferd. Ich bin ja auch kein Fluchttier. Wenn mir nach der Joggingtour der Kopf brummt, lege ich mich halt hin. Und tatsächlich komme ich auch einfach viel besser mit verringerter Lungenleistung klar als das Pferd. Plus: Ist die Nase dicht, atme ich einfach durch den Mund. Und so weiter …
Also, Leute: Echt jetzt. Bitte hinhören und hinschauen und nicht einfach ignorieren, wenn das Pferd blubbert oder zieht. Die vielen Lungenpferdkurse sind ja nur auf dem Markt, weil der Markt es leider braucht - und sie helfen sicher auch vielen Pferden. Aber noch genialer wäre es doch, wenn die Pferde gar nicht Lungenpferde würden.