18/03/2025
Der äußere Zügel und seine Wichtigkeit
Egal in welcher Reitweise
In der Reithalle wartet Jessy auf Sunny, ihrer fleißigen Quarter-Stute, auf ihre Reitstunde. Tommy stand wie immer entspannt in der Mitte, die Hände locker auf seinem Rücken verschränkt, während er das Duo beobachtete.
"Jessy, was glaubst du, ist die Hauptaufgabe des äußeren Zügels?" fragte er mit einem wissenden Grinsen.
Jessy überlegte kurz und zuckte dann mit den Schultern. "Na ja, der begrenzt das Pferd, oder?"
Tommy nickte langsam. "Ja, das ist ein guter Anfang. Aber der äußere Zügel macht noch viel mehr. Er ist wie eine Leitplanke – er hält Sunny auf Spur, hilft ihr, sich korrekt zu biegen und sorgt dafür, dass sie nicht aus der Schulter fällt. Ohne ihn würdest du nur mit dem inneren Zügel lenken – und was passiert dann?"
Jessy dachte kurz nach. "Dann knickt sie im Hals ab und geht trotzdem geradeaus?"
Tommy grinste. "Exakt! Und genau das wollen wir heute vermeiden. Also, auf geht’s."
1. Kontrolle über den äußeren Zügel – Erst fühlen, dann lenken
"Fangen wir mit einer einfachen Übung an. Geh auf den Zirkel und spüre erst einmal, was Sunny macht. Versuch, nicht gleich zu lenken – fühl einfach, was sie von selbst anbietet."
Jessy ritt Sunny in einem ruhigen Schritt auf dem Zirkel. Schon nach wenigen Runden merkte sie, dass Sunny in den Wendungen mit der inneren Schulter leicht nach innen kippte.
"Merkst du das? Sie fällt über die Schulter nach innen. Jetzt halte deinen äußeren Zügel etwas konstanter und gib ihr mit deinem inneren Bein die Richtung vor. Du willst, dass sie sich durch den ganzen Körper biegt – nicht nur mit dem Hals."
Jessy nahm die Hilfen bewusster auf. Mit leichtem Kontakt am äußeren Zügel und einem sanften Impuls mit dem inneren Bein richtete sie Sunny wieder aus. Die Veränderung war sofort spürbar.
"Ja! Jetzt hält sie die Spur. Siehst du, dass sie jetzt den ganzen Körper mitnimmt, anstatt nur den Kopf zu drehen?"
Jessy nickte. "Ja, es fühlt sich viel stabiler an!"
2. Biegen mit innerem Bein und äußerem Zügel
"Jetzt machen wir eine Schlangenlinie durch die Bahn. Aber statt nur mit dem inneren Zügel zu lenken, führst du jede Wendung über dein inneres Bein und den äußeren Zügel ein."
Jessy ritt los, konzentrierte sich darauf, nicht am inneren Zügel zu ziehen, sondern mit dem äußeren die Linie zu begrenzen. Die ersten Wendungen waren noch etwas holprig – manchmal gab sie zu viel nach, manchmal war sie noch zu stark am inneren Zügel.
"Achtung! Dein äußerer Zügel muss wie eine Begrenzung bleiben, er darf nicht durchhängen. Probier’s nochmal."
Beim zweiten Versuch wurde es schon besser. Jessy ließ den äußeren Zügel bewusst stehen, führte mit dem inneren Bein und ließ Sunny in einer gleichmäßigen Biegung durch die Bahn laufen.
"Ja! Merkst du, wie viel leichter sie sich biegt, wenn du ihr nicht nur den Hals verstellst?"
"Ja, sie fühlt sich viel sicherer an!"
Tommy grinste. "Sie fühlt sich sicherer, weil du ihr eine klare Linie vorgibst. Stell dir vor, du willst einen Einkaufswagen um die Kurve schieben – wenn du nur an einer Seite ziehst, kippt er zur Seite. Aber wenn du ihn gleichmäßig führst, rollt er stabil durch die Kurve. Genau das machst du jetzt mit Sunny."
3. Übergänge mit dem äußeren Zügel stabilisieren
"Jetzt testen wir, ob du auch in den Übergängen mit dem äußeren Zügel arbeiten kannst. Viele Reiter konzentrieren sich nur auf die Schenkelhilfen, aber wenn du den äußeren Zügel nicht mitnimmst, wird Sunny aus dem Gleichgewicht kommen."
Jessy ritt ein paar Übergänge Trab-Schritt-Trab. Beim ersten Versuch fiel Sunny beim Durchparieren leicht auf die Vorhand.
"Da hast du’s! Dein äußerer Zügel war nicht stabil genug, also ist sie nach vorne weggefallen. Versuch’s nochmal, aber diesmal hältst du die Verbindung sanft, bevor du in den Schritt gehst."
Beim zweiten Versuch hielt Jessy den äußeren Zügel bewusst stabil, nahm ihr Becken ruhiger mit – und Sunny parierte sanft in den Schritt durch, ohne nach vorne zu kippen.
"Perfekt! Genau das brauchen wir. Du hast sie in ihrer Balance gehalten, anstatt sie einfach nur abzubremsen."
4. Die Königsdisziplin – Galoppzirkel mit äußerem Zügel stabilisieren
"Jetzt wollen wir mal schauen, ob du Sunny im Galopp mit dem äußeren Zügel unterstützen kannst. Sie neigt dazu, sich in den Wendungen nach außen fallen zu lassen, oder?"
Jessy nickte. "Ja, manchmal fühlt es sich an, als würde sie nach außen driften."
"Dann fangen wir an. Achte darauf, dass du den äußeren Zügel nicht festhältst, aber ihn sanft begrenzend einsetzt. Du gibst mit dem inneren Bein den Schwung und hälst sie mit dem äußeren Zügel in der Spur."
Jessy trabte an, stellte Sunny auf den Zirkel und gab die Galopphilfe. Sunny sprang sauber an, doch in der ersten Wendung drückte sie leicht nach außen.
"Da ist es! Halte deinen äußeren Zügel dran, gib ihr mit deinem inneren Bein die Richtung, aber lass sie sich selbst tragen."
Jessy passte ihre Hilfen an – und plötzlich blieb Sunny rund in der Bewegung, lief stabil durch die Kurve, ohne zu kippen.
"Ja! Siehst du, wie sie jetzt die Balance hält? Du brauchst keinen starken Zügelzug, du gibst ihr einfach nur eine Grenze, die sie einhält."
Jessy grinste. "Es fühlt sich viel harmonischer an!"
"Genau das ist der Sinn des äußeren Zügels. Er hilft deinem Pferd, sich in der Bewegung zu stabilisieren – ohne, dass du es in die Form zwingen musst."
5. Fazit – Ein stabiler Rahmen für feines Reiten
Nachdem sie noch ein paar Runden geritten war, ließ Jessy Sunny im Schritt austraben, die Zügel leicht über den Hals fallen. Sunny schnaubte zufrieden ab.
"Heute hast du gesehen, dass der äußere Zügel nicht einfach nur eine passive Hand ist – er gibt deinem Pferd den Rahmen, in dem es sich sicher bewegen kann."
Jessy streichelte Sunny und nickte. "Ich hätte nicht gedacht, dass so eine kleine Veränderung so viel ausmacht!"
Tommy grinste. "Die besten Hilfen sind die, die dein Pferd fast nicht merkt – aber sofort versteht."
Jessy lachte. "Dann werde ich wohl ab jetzt mehr mit meinem äußeren Zügel reiten und weniger einfach nur den inneren benutzen."
"Gute Entscheidung. Und wenn du es richtig machst, wird Sunny sich in den Kurven irgendwann genauso leicht anfühlen wie auf einer Geraden."
Jessy klopfte Sunny den Hals. Heute hatte sie nicht nur den äußeren Zügel verstanden – sondern auch, wie wichtig eine feine, präzise Reiterhand für ein ausbalanciertes Pferd ist.
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