05/01/2025
Ich muss zugeben, ich habe eine Schwäche für Mittelaltermärkte. Es gibt einfach etwas Magisches daran, für ein paar Stunden aus dem Alltag auszubrechen und in eine Welt voller Ritter, Barden und seltsam duftender Kräuter einzutauchen. Also stand ich vor ein paar Wochen mal wieder vor den Toren eines Mittelaltermarkts – mit klopfendem Herzen und einer leicht übertriebenen Erwartungshaltung. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Kaum durch das hölzerne Eingangstor, wurde ich förmlich überwältigt. Der Geruch von Spanferkel, Feuerholz und – ja, ich schwöre – ein Hauch von nassem Leder wehte mir entgegen. Überall waren Zelte, Stände und Tavernen, die mir Dinge anboten, die ich nicht brauchte, aber unbedingt haben wollte. Hornbecher, Amulette, Lederrüstungen – Sachen, die in meiner Wohnung absolut keinen Platz haben, aber trotzdem sofort auf meiner Einkaufsliste landeten.
Und die Leute! Es war eine kunterbunte Mischung aus Hardcore-Mittelalterfans in perfektem Gewand, lässigen Besuchern in Jeans und T-Shirt und ein paar Typen, die aussahen, als hätten sie den Dresscode „Fantasy-Dungeon“ etwas zu ernst genommen. Ich fühlte mich sofort zu Hause.
Natürlich führte mein erster Weg direkt zum nächsten Stand mit Essen. Ein Fladenbrot, so groß wie ein Wagenrad, gefüllt mit Käse und Fleisch, lachte mich an. „Das ist authentisch mittelalterlich“, sagte der Verkäufer mit breitem Grinsen. Authentisch oder nicht – es war köstlich. Und dann natürlich: Met. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen, aber jeder Mittelaltermarkt hat Met, der wie purer Sonnenschein schmeckt. Okay, purer, klebriger Sonnenschein, aber ich beschwere mich nicht, denn der hat böse geballert.
Nach dem Essen zog mich die Live-Musik magisch an. Eine Band, die aussah, als wäre sie direkt aus „Game of Thrones“ gehüpft, spielte beeindruckend Dudelsack und Trommeln, während Leute davor tanzten, als gäbe es keinen Morgen. Und dann war da noch der Ritterkampf. Zwei Typen in schwerer Rüstung prügelten sich mit Schwertern richtig auf die Kauleiste, während das Publikum jubelte, als hätten wir den Superbowl live im Burghof. Ich war natürlich voll dabei. „Hau drauf, Sir Otto!“ rief ich und verschüttete dabei die Hälfte meines Mets. Er gewann und ich wollte beschwipst schon meine Brüste zeigen, konnte aber mit keinen dienen.
Dann kam das, was ich auf jedem Mittelaltermarkt am meisten liebe: die Stände. „Handgeschmiedete Dolche!“, rief ein Verkäufer. Ich blieb stehen. Brauche ich einen Dolch? Natürlich nicht. Will ich trotzdem einen? Natürlich. Auch wenn es nicht in mein Budget passt. Am nächsten Stand gab es Hornbecher, Amulette und eine Ledertasche, die angeblich von „echten nordischen Wikingern“ inspiriert war. Ich fühlte mich plötzlich wie Ragnar Lodbrok und wollte so ausgestattet eine Insel überfallen. Mallorca vielleicht.
Was mir immer wieder auffällt: Die Menschen auf Mittelaltermärkten sind so herrlich entspannt. Niemand schaut dich schräg an, wenn du in einem Umhang herumlaufst oder einen Lederhut trägst, der aussieht wie ein altes Sofa. Im Gegenteil: Ich wurde mehrfach gefragt, ob ich nicht an einer Schlachtenteilnahme interessiert sei. „Vielleicht nächstes Mal“, sagte ich, während ich meinen dritten Met schlürfte.
Und dann sind da noch die Marktschreier. Einer rief mir zu: „Komm her, Freund, und lass dich von mir beraten!“ Es ging um ein Kraut, das angeblich gegen Kopfschmerzen hilft. Oder Haarausfall. Oder beides. Ich habe es gekauft, weil… warum nicht? Seltsamerweise hatte ich nach der Einnahme, für zwei Stunden keinen Geruchs- und Geschmackssinn mehr, dafür waren alle Farben viel intensiver, aber mir ging es sehr gut.
Die Feuershow am Abend war dann der absolute Höhepunkt. Ein Gaukler jonglierte mit brennenden Keulen und pustete Flammen in den Nachthimmel. Ich war so beeindruckt, dass ich ihm fast das Doppelte für seinen „magischen Kräutertee“ bezahlt hätte, der bei genauem Hinsehen eher wie Kamillentee aussah. Eigentlich zeigte er nur das was ich fühle, wenn ich wieder zu scharf gegessen habe. Ob meine Hinterpforte auch so etwas kann, wenn ich Feuer daran halte? Die seltsamen Gedanken mussten noch am Kraut liegen...
Der Mittelaltermarkt hat wieder einmal bewiesen, warum ich ihn so liebe. Es ist chaotisch, es ist laut, und es macht unglaublich viel Spaß. Vor allem trifft man nur selten auf so nette Menschen wie dort und das ist auch für die Seele eine echte Wohltat.
Gruß, Euer Tim
Enthält eine Kräutermischung Satire
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