13/07/2025
Wann ist es genug?
Die vergangenen Monate waren anstrengend für uns alle. Bubu schläft nachts sehr schlecht, die nächtliche Unruhe steigerte sich immer mehr, er wandert dann Stunden lang umher, jedes Begrenzen führt nur zu noch mehr Bewegungsdrang.
Er rutscht mit der Hinterhand immer öfter weg, kommt dann selbstständig nicht mehr richtig hoch.
Er frisst schlecht, an manchen Tagen fast gar nicht, dann wieder wie ein Besessener.
Wir wischen immer öfter Kotze oder K***e weg, planen kann man so gut wie nichts mehr.
Wann ist es genug?
Im Urlaub wurde es immer schlimmer. So schlimm, dass wir beschlossen haben, ihn gehen zu lassen. Aber im Auto zur örtlichen Tierärztin erwachte er plötzlich wieder zum Leben, hat sich wie ein Wilder aufgeführt, also sind wir völlig verzweifelt wieder umgekehrt.
Die italienische Tierärztin hat uns dann am nächsten Tag, nach der nächsten schlaflosen Nacht, ein starkes Beruhigungsmittel für Bubu gegeben. Wieder mal ein neues Medikament.
Wann ist es genug?
Also haben wir jetzt einen Hund, der ohne starke Medikamente nicht mehr schlafen kann. Der sich selbstständig kaum noch ablegt. Der fast nichts mehr sieht und nichts mehr hört. Der bestimmt, wann und wo wir essen, schlafen, wohin wir fahren (nirgend wohin mehr). Und einen Hund, der sich mit aller Macht ans Leben klammert.
Ich weiß nicht, ob das alles so sein soll. Ich weiß nicht, wie lange ich den Kontrollverlust über mein eigenes Leben noch aushalten kann. Ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht mehr leide, als er. Ich weiß nicht, ob es eine gute Entwicklung ist, dass zunehmend auch in der Tiermedizin alles, was medizinisch möglich ist, unbedingt gemacht wird.
Wann ist es genug?
Wir müssen darüber sprechen, was passiert, wenn unsere Hunde immer älter werden. Sie werden wie wir Menschen auch nicht einfach fit bleiben, bis sie 100 Jahre alt sind. Sie werden blind, taub, dement, sich einpinkeln und einkoten. Wir werden sie füttern, pflegen müssen, bis… ja bis wann? Bis einer von uns nicht mehr kann?
Wann ist es genug?
Ich bin ein geselliger Mensch, ich möchte raus, Menschen treffen, reisen, ich bin nicht Generation Netflix & Lieferando, ich gehe gern raus in die Welt. Ich kann meine Bedürfnisse zurückstellen, einfrieren, auch mal über einen längeren Zeitraum. Aber ich tue das jetzt seit fast drei Jahren, mit steigender Tendenz und trüben Zukunftsaussichten.
Langsam verliert sich die Liebe in automatisierter Pflege. Dann bleibt mir manchmal nur noch bitterer Humor, aber eigentlich möchte ich nur weinen. Aus Verzweiflung, Trauer, Scham.
Wann ist es genug?
Mein Hund, mein geliebter Hund, ist längst ausgezogen aus seinem Körper. Zurückgeblieben ist ein starrköpfiges, zähes, unzugängliches Wesen, das unsere Pflege gar nicht will. Das nach mir schnappt, wenn ich ihm helfen möchte. Es bricht mir das Herz, es macht mich wütend und traurig zugleich. Egal, was ich tue, es ist behaftet mit schlechtem Gewissen.
Das alles auszuhalten zu müssen, hat mich so weit gebracht, dass ich mir momentan nicht vorstellen kann, jemals wieder einen Hund zu haben. Und das ist so ziemlich das Traurigste, was ich mir denken kann.
Wann ist es genug?
Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass ich alles richtig mache, alles richtig entscheide, aber ich habe wirklich keine Ahnung.