24/04/2025
Der muss nicht perfekt passen, wir brauchen den eh nur in bestimmten Situationen…
…diesen Satz höre ich in meinen Maulkorbberatungen immer wieder.
Vor allem Hundehalter, die gerade frisch damit konfrontiert worden sind, dass die „kleine geliebte Luna“ nun - egal aus welchem Grund - einen Maulkorb bekommen muss oder soll, haben oft eines im Kopf: „Diesen doofen und störenden Gesichtskäfig werde ich meinem Hund wirklich nur dann antun, wenn es sein muss - Gott sei Dank muss er den nicht ständig tragen. (Und da das nicht so oft sein wird, muss er auch nicht super-aufwändig angepasst werden, das können wir uns sparen)“.
Aus menschlicher Sicht ist diese Einstellung natürlich verständlich, denn niemand möchte seinem Hund lebenseinschränkende Dinge zumuten, schon gar nicht, wenn sie dann auch noch offenbaren, dass der Hund ggf. nicht immer nett ist, oder sonstige „Defizite“ hat. (Ich schreibe das extra etwas provokant, weil es die Angst vor einer wertenden Stigmatisierung von Nachbarn oder anderen Menschen widerspiegeln soll.)
Nun ist es aber so, dass schon die Einstellung dazu, wie man also als Hundehalter das Tragen eines Maulkorbs bewertet, nicht ganz irrelevant ist, wenn es darum geht, wie der Hund den Korb am Ende akzeptiert. Eine ablehnende Einstellung „seines“ Menschen bemerkt ein Hund natürlich sofort, denn er ist ein Seismograph für Stimmungen, und je nach dem, wie sensibel er ist, und auf solche Stimmungen reagiert, kann eine solche Ablehnung auch für eine entsprechende Ablehnung beim Hund sorgen. Es macht also Sinn, im Maulkorb kein störendes und einschränkendes Martyrium zu sehen, sondern ein Hilfsmittel, das aus gegebenem Anlass notwendig ist und / oder am Ende in irgendeiner Weise lebensverbessernd wirkt. Kurz: Wenn der Mensch kein großes Ding daraus macht und pragmatisch mit dem Maulkorbtragen umgeht, hat der Hund auch eine gute Chance, innerhalb seiner Möglichkeiten schnell in die Akzeptanz zu gehen.
Wenn die Einstellung stimmt, kommt ein weiterer Punkt zum tragen, der für eine gute Akzeptanz extrem relevant ist: Der Hund kann den Korb nur dann als neutralen und völlig selbstverständlichen Alltagsgegenstand bewerten, wenn er ihn oft und lange trägt. Nur so findet eine gute Gewöhnung statt, die dazu führt, dass der Maulkorb nicht mehr als Fremdkörper angesehen wird. Halsband, Leine, Geschirr … und der Maulkorb, das alles sollte gleichermaßen akzeptiert werden, und so wie es - auch für den Hund - als völlig selbstverständlich angesehen wird, dass z.B. ein Halsband angelegt und benutzt wird, kann auch ein Maulkorb selbstverständlich werden, aber eben nur mit der entsprechenden Gewöhnung über längere Tragezeiten in allen möglichen Situationen.
Setzt man den Korb immer vor für den Hund tollen Geschehnissen auf, wird der Maulkorb schnell die Ankündigung für diese positive Hormonausschüttung und erweckt eine gewisse Vorfreude. Also freut sich der Hund auch auf den Korb.
Das Wichtigste nun zum Schluss:
Wenn man seinem Hund die Gewöhnung verwehrt, ist das zwar nicht besonders fair, bewirkt aber nur, dass der Hund seinen Maulkorb halt nicht mag. Das ist nicht schön, aber für viele Hundehalter vielleicht noch akzeptabel, einhergehend mit dem Gedanken, dass man so darum herumkommt, seinem Hund diesen bösen Gegenstand über längere Zeit aufzusetzen. So what.
Der Hund besitzt aber ja nun einen Korb nicht grundlos, es wird also eine gewisse Notwendigkeit dahinter stehen, dass man eine Beißbremse angeschafft hat.
Und jetzt kommen wir zum Punkt:
Setzt man einen Maulkorb (selbst nach guter Gewöhnung) immer nur vor bestimmten Situationen auf, bildet sich beim Hund zwangsläufig eine Verknüpfung zwischen dem Aufsetzen des Korbes und der Situation. Gehen wir mal davon aus, dass es sich in den meisten Fällen um Situationen handelt, die nicht besonders erquicklich sind und im Hund kein innerliches Frohlocken hervorrufen, wird schnell klar, was daraus wird: Es entsteht eine Erwartungshaltung an das Aufsetzen des Korbes an das, was danach passiert, und der Hund kommt schon mal in Stimmung, bereitet sich also (nicht vom Hund steuerbar) darauf vor, was nun aus seiner Sicht im Worst Case passieren könnte. Er könnte sich darauf vorbereiten, wie er sich am effizientesten gegen den bösen Tierarzt, Physiotherapeuten, andere Hunde, oder auch Menschen verteidigt. Dies sind nur einige Beispiele für denkbar viele andere Situationen, die für den Hund schwierig zu durchstehen oder auf andere Art und Weise anspruchsvoll sind.
Und nicht nur, dass der Korb ein Signal dafür wird, dass es jetzt zeitnah doof wird ist zu bedenken, sondern es gibt auch im Umkehrschluss eine negative Verknüpfung mit dem Korb selbst, denn der wird fortan gehasst und nur ungern und widerwillig aufgesetzt. Das wiederum erzeugt jede Menge Stress, den wir z.B. in einer eh schon stressigen Tierarztsituation nicht gebrauchen können, sich zum Tierarztstress summiert und zum Eskalationsgarant werden kann, auch wenns bei der Behandlung gar nicht weh tut.
Hat dagegen eine gute Gewöhnung stattgefunden und der Maulkorb wird als ganz normaler Alltagsgegenstand akzeptiert wie ein Halsband oder ein Geschirr, und er wird geraume Zeit vor den Situationen aufgesetzt, für die er benötigt wird, wird dem Hund bei maximal möglicher Sicherheit kein zusätzlicher Stress aufgebürdet, was natürlich für ein entspannteres Durchleben sorgt.
Auch bei sogenannten „Alibikörben“, also Maulkörben, die nur für öffentliche Verkehrsmittel, Fähren oder Gondelfahrten im Urlaub benötigt werden, macht eine gute Gewöhnung Sinn, denn auch eine solche Fahrt kann für einen Hund stressig sein und da sollte der Korb kein zusätzlicher Stressfaktor sein.
Das Fazit ist also: Wofür auch immer ein Maulkorb gebaucht wird, er sollte für eine gute Gewöhnung und damit Akzeptanz oft und länger in allen möglichen neutralen Situationen vom Hund getragen werden, und dafür sollte er optimal passen.
(c) Lennart Peters @ Canis beatus - Der Blog.
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