
02/08/2025
Mythos: „Du musst das Genick lockern!“
Falsch und gefährlich verkürzt.
Viele Reiter glauben noch immer, dass sie das Genick ihres Pferdes „lösen“ müssen. Aber: Das Genick ist kein Schalter, den man mit der Hand bedienen kann. Es ist ein hochsensibler Bereich mit klarer biomechanischer Funktion und seine Beweglichkeit ist stark begrenzt.
Die Fakten
Was ist das Genick?
Das eigentliche Genick ist das Atlanto-Occipital-Gelenk, die Verbindung zwischen dem Hinterhauptbein des Schädels und dem ersten Halswirbel (Atlas).
Beweglichkeit: ca. 10–15° Beugung, 5–10° Streckung, kaum Seitneigung. Rotation findet tiefer im Hals statt, nicht im Genick.
Warum ist es so begrenzt?
Das Genick dient der Stabilität und Balance, nicht der aktiven Bewegung.
Das Nackenband (Ligamentum nuchae) wirkt wie ein Sicherheitsgurt, um Hyperflexion zu verhindern.
Zu viel Bewegung würde die Orientierung und das Gleichgewicht des Pferdes stören.
Der Fehler beim „Genick lockern“
Viele versuchen, mit der Hand oder über den Zügel vorne zu „lösen“. Die Folge:
• Verspannung der feinen Nackenmuskeln
• Unterhalsbildung und festes Kiefergelenk
• Blockierte Halsbasis und Verlust der Verbindung zur Hinterhand
Biomechanische Studien (Clayton 2019, Kienapfel 2021) zeigen klar: Genickfreiheit entsteht nur dann, wenn das Pferd von hinten nach vorne arbeitet, nicht durch Manipulation am Kopf.
Was wirklich hilft
1. Losgelassenheit zuerst: Ein schwingender Rücken und eine aktive Hinterhand entlasten die Halsmuskulatur.
2. Zügel nur begleiten: Kein Ziehen, kein „Herunterdrücken“. Mikrobewegungen müssen erlaubt sein.
3. Funktionelle Übergänge: Richtig gerittene Übergänge und feiner Sitz fördern echte Genickfreiheit.
4. Kaubewegung statt Krafteinwirkung: Ein entspanntes Pferd zeigt Kauen, Lecken und weiche Anlehnung, nicht ein „heruntergezogenes“ Genick.
Fazit
Das Genick „lockert“ sich nicht auf Kommando. Es ist das Ergebnis von Losgelassenheit, Balance und richtiger Ausbildung. Wer am Genick arbeitet, bekämpft Symptome. Wer von hinten nach vorne reitet, löst die Ursache.
Wie oft hast du selbst schon „Lockere das Genick!“ gehört und wie würdest du diesen Satz ersetzen?