
15/06/2025
White-Line-Defekte beim Pferdehuf – Ursachen, Diagnose und Behandlung
White-Line-Defekte beim Pferd sind Veränderungen oder Schäden in der sogenannten „weißen Linie“ des Hufs – einem schmalen Bereich zwischen der Hufwand und der Sohle, der in Wirklichkeit eher gelblich-grau erscheint und sich aus der Verbindung von Hufwandhorn und Sohlenhorn zusammensetzt. Dieser Bereich ist essenziell für die Stabilität und Belastbarkeit des Hufes, da er wie ein „Klebstoff“ zwischen Wand und Sohle wirkt. Kommt es hier zu strukturellen Problemen, kann dies schwerwiegende Folgen für die Huffunktion und das Wohlbefinden des Pferdes haben.
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🧬 Anatomische Grundlagen der Weißen Linie
Die weiße Linie ist kein eigenständiger Hornteil, sondern das Ergebnis der Verbindung zwischen:
• Hufwand (Hornlamellen der Epidermis)
• Laminae (innere Blättchenschicht des Hufes)
• Sohlenhorn
Sie hat die Aufgabe, die Wand mit dem darunterliegenden Stratum internum (Lamellenschicht) und der Sohle zu verbinden und dient gleichzeitig als Barriere gegen Keime. Ist dieser Bereich beschädigt oder gestört, kann dies zu Entzündungen, Instabilität und Hufrehe-ähnlichen Symptomen führen.
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❗ Was sind White-Line-Defekte?
Ein White-Line-Defekt ist eine Schwächung, Auflösung oder Zerstörung dieses Verbindungsbereichs. Dies kann in Form von:
• Hohlnägeln oder Spalten (Kavernen)
• Einlagerungen von Dreck, Bakterien oder Pilzen
• Weißen Linien mit dunklem, bröckeligem Horn
• Abweichungen im Hornwachstum
• Eintrittspforten für Infektionen
auftreten. Je nach Ausmaß kann der Defekt oberflächlich oder tief (bis zur Lederhaut) reichen.
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🧪 Ursachen von White-Line-Defekten
Die Ursachen sind vielfältig und oft multifaktoriell:
1. Mechanische Überlastung
• Zu lange Zehen, falsche Stellung, ungleichmäßige Belastung.
• Unzureichender oder seltener Hufbearbeitungsrhythmus.
• Hufmechanismus gestört (z. B. durch zu enge Eisenbeschläge).
2. Feuchtigkeit und Hygiene
• Wechsel von nass zu trocken führt zu Spannungen.
• Nasse Böden (z. B. Matschpaddocks) fördern das Eindringen von Keimen.
3. Bakterien und Pilze
• Anaerobe Keime wie Fusobacterium necrophorum oder Pilze wie Candida zerstören die weiße Linie von innen heraus.
4. Hufrehe oder Stoffwechselstörungen
• Lamellenschäden durch Entzündung führen zu dauerhaften strukturellen Schwächen.
5. Ernährungsmängel oder Toxinbelastung
• Zink-, Biotin- oder Aminosäurenmangel kann das Hornwachstum schwächen.
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🔍 Symptome und Diagnose
Ein White-Line-Defekt kann symptomfrei sein oder sich wie folgt äußern:
• Pferd lahmt leicht oder zeigt Taktunreinheiten.
• Huf ist empfindlich bei seitlichem Druck.
• Dunkle Linien, Risse oder Einkerbungen im Bereich der weißen Linie.
• Beim Ausschneiden tritt faulig riechendes Material aus.
• Fremdkörper wie Steine lassen sich in die Linie drücken.
Diagnosemöglichkeiten:
• Sichtkontrolle nach gründlicher Hufreinigung.
• Ausschneiden des Hufs zur Darstellung der betroffenen Bereiche.
• Röntgen zur Abklärung von tieferliegenden Infektionen oder Gasbildung.
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🛠️ Behandlung und Therapie
Die Therapie richtet sich nach Ausmaß, Tiefe und Ursache:
1. Mechanische Entlastung
• Regelmäßige, fachgerechte Hufbearbeitung durch einen Hufschmied oder Huforthopäden.
• Rückführung der Zehenachse, Korrektur von Fehlstellungen.
• Bei starken Defekten: Entlastungsbeschlag oder temporäres Anpassen mit Kunstharz oder Platten.
2. Reinigung und Desinfektion
• Ausschneiden der betroffenen Areale, um Luft und Licht an die Kavernen zu bringen.
• Tägliche Spülung mit:
• Jodlösung
• Kupfersulfatlösung
• Chlorhexidin oder Essiglösungen
• Trocken halten! (Hufverbände mit saugfähigem Material, kein dauerhafter Kontakt zu Matsch)
3. Antimikrobielle Behandlung
• Gezielter Einsatz von Hufsalben oder Pasten mit antibakterieller/pilzhemmender Wirkung.
• Bei tiefen Infektionen eventuell tierärztliche Gabe von Antibiotika.
4. Ernährungsoptimierung
• Zink, Kupfer, Biotin, Methylsulfonylmethan (MSM) als gezielte Ergänzungen.
• Kontrolle auf Stoffwechselerkrankungen, z. B. EMS oder Cushing.
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⚠️ Prognose und Vorbeugung
Die Prognose hängt stark davon ab, wie früh der Defekt erkannt wird und wie konsequent behandelt wird. Kleine, oberflächliche White-Line-Defekte können vollständig ausheilen. Tiefe, lang bestehende Infektionen können das Horn dauerhaft schwächen und zu chronischer Lahmheit führen.
Vorbeugende Maßnahmen:
• Regelmäßige Hufpflege (alle 5–7 Wochen).
• Vermeidung starker Feuchtigkeitsschwankungen.
• Ausgewogene, mineralstoffreiche Fütterung.
• Haltungsbedingungen mit möglichst trockenem Untergrund.
• Beobachtung der weißen Linie bei jedem Ausschneiden.
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📌 Fazit
White-Line-Defekte sind keine Bagatellen, sondern ernstzunehmende Schäden an einem tragenden Teil des Hufes. Frühzeitiges Erkennen, konsequente Therapie und Vorbeugung sind entscheidend für die Hufgesundheit und damit für die Bewegungsfreude und Leistungsfähigkeit des Pferdes. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Pferdehalterin, Hufbearbeiterin und Tierarzt ist dabei unerlässlich.