21/02/2025
Der Problemmensch
Nachricht von meiner Lieblings-Monika - Leiterin eines grossen Tierschutzvereins. Hündin R. (Name natürlich der Redaktion bekannt) muss weg von zu Hause, hochgradig aggressiv, Zusammenleben ist nicht mehr möglich, Gefährdung für den frisch geworfenen Nachwuchs aus Sicht der Besitzer . Hä? R. lebt seit 4 Jahren in der Schweiz, kommt ursprünglich aus dem Ausland, wurde mit 2 jährig übernommen. Hundeschulen wurden wohl diverse besucht, alle ohne Erfolg. Wahrscheinlich waren es Hundeschulen die mit dem Begriff "Problemhund" werben, davon fühlen sich Menschen angezogen, denn es ist so schön einfach dem Hund einfach einen gehörigen Schaden anzudichten. Mir kommt da immer "..zu schön um wahr zu sein" in den Sinn..
Klar sehe ich sie mir an. R. kommt zu mir, ohne Besitzer. Ich lerne einen hochgradig unsicheren Hund kennen der keinerlei (!) Aggressionsproblematik hat mit anderen Hunden. Im Gegenteil.. Wenn man R. fragen würde wo das Problem liegt, würde sie sagen: "Tja, ich hab Pech gehabt, ich hab einen Problemmenschen.."
Für R. ist das Leben relativ einfach. R. hatte vorher nicht viel Kontakt zu Menschen, hat aber bei ihrem Problemmenschen rasch festgestellt das diese Spezies offensichtlich nicht alleine lebensfähig ist. Von Tag 1 an wurde sie überhäuft mit Aufmerksamkeit, Zuwendung und Liebe - sie musste nur mit dem Schwanz wedeln oder den Problemmenschen lange anschauen, schon tat er ALLES um ihr zu gefallen. Für R. war klar: Offensichtlich bin ich der Mittelpunkt des Universums für dieses Wesen. Sozial wie sie war, übernahm sie natürlich die Verantwortung für das unbehaarte, zweibeinige Lebewesen welches so ganz offensichtlich nicht dazu in der Lage war ohne sie zu existieren. Das tut man nämlich wenn man schutzlose Streuner findet! Zu Hause hatte sie immer schön alles im Blick, sie positionierte sich so das sie immer sehen konnte was der Problemmensch macht, gleichzeitig konnte sie aber auch Tür und Fenster bewachen. Denn der Problemmensch tat das, was er am besten konnte: Dann und wann verhielt er sich echt problematisch. Wenn Eindringlinge kamen, machte der Problemmensch keine Anstalten diese zu vertreiben, im Gegenteil, er bat sie herein und teilte sein Futter mit ihnen! Obwohl R. immer wieder versuchte diese Eindringlinge fernzuhalten schien der Problemmensch völlig beratungsresistent, er begann irgendwann sie anzubinden wenn Eindringlinge kamen. Waren die Eindringlinge weg, konnte R. sich wieder frei bewegen und war wieder das Zentrum der Familie. Tja, R. war nachsichtig mit dem Problemmenschen, wer weiss schon was dieser in seiner Vergangenheit alles erlebt hatte..
Draussen war das Verhalten des Problemmenschen aber noch viel schlimmer. R. kam in eine Grossstadt, entsprechend war R. vom ersten Tag an genötigt sich in einer völlig überfüllten Umgebung zu bewegen. Für R. wäre das an und für sich gar keine grosse Sache gewesen, in ihr schlägt nämlich ein waschechtes Terrierherz, wäre da nicht dieser Problemmensch.. Ungeachtet all der Gefahren, der vielen wilden Zweibeiner und anderen Raubtiere, spazierte der Problemmensch darauf los. Er schien diese Gefahren gar nicht wahrzunehmen, im Gegenteil, er checkte weder die Lage ab noch kontrollierte er sein Territorium. Nicht einmal markieren konnte er, der Problemmensch. Es kam sogar wiederholt vor das sich der Problemmensch komplett verirrte und R. mit ihm durch völlig fremde Reviere streifte. Futtersuche? Fehlanzeige. Es schien ganz als hätte es der Problemmensch einzig und alleine auf Ärger abgesehen, denn anders konnte sich R. nicht erklären weshalb man fremde Territorien auskundschaftet. Aber auch hier war sie nachsichtig, denn der Problemmensch wusste es nicht besser.. Immer öfter geschah es jedoch, das er nicht nur provokativ durch das fremde Gebiet lief, sondern auch noch die möglichen Besitzer dieser Reviere dazu einlud sich dazu zu gesellen! Für R. stand die Welt Kopf, wie kann man denn nur so naiv sein.. Sie entschied das sie wohl oder übel ihren Problemmenschen vor sich selbst schützen muss, denn er verhielt sich durch und durch unvernünftig. Sie begann anderen Hunden schon auf grosse Distanz klarzumachen das sie sich verziehen sollen, anders konnte sie ihren Problemmenschen unmöglich schützen. Doch dieser dankte es ihr nicht, im Gegenteil, immer harscher wurden die Korrekturen. Bis R. irgendwann entschied sein Verhalten nicht mehr zu tolerieren und ihn korrigierte für seine respektlose Einmischung - sie biss zu. Mehrfach.
Natürlich musste ein Verhaltenstherapeut her. Vermutlich einer der sich mit Problemhunden auskennt. Allerlei Tricks und Dressurübungen erlernte R. dort, beispielsweise das sie den Problemmenschen anschauen soll wenn sich ein anderer Hund nähert. Tat sie das, erhielt sie Lohn vom Problemmenschen. Tat sie es nicht, gab es keinen Lohn. Und ganz unter uns, wobei das ja dem so hippen Label "Gewaltfrei" widerspricht, warf man dann auch mit Dingen nach ihr wenn sie sich so verhielt, wie sie es eben tat. R. verstand: Wenn ich mache was du willst, bin ich etwas wert. Mache ich es nicht, gehöre ich nicht zu dir. Unbegreiflich für R., denn Zugehörigkeit war für sie nie eine Frage des Gehorsams. Sie liebte ihren Problemmenschen doch, auch wenn er etwas tat was eben problematisch war? Nie wäre sie auf die Idee gekommen ihre Liebe an Bedingungen zu knüpfen. Aber so war es nun mal..
Auf dem Hundeplatz konnte sich R. mit dieser seltsamen Sache arrangieren. Sie gab sich Mühe, denn ihr war so wichtig das dieser eine Problemmensch sie gerne mochte - er hatte ja niemand anderen! Vielleicht würde der Problemmensch aufhören sich zu unvernünftig zu verhalten, wenn sie ihre Sache nur gut genug machen würde?
Nein. Der Problemmensch verhielt sich weiterhin unvernünftig und ging durch die Welt als sei alles nur ein Spiel. Das ernsthafte Terrierherz weinte ein wenig, denn sie wusste: Es hängt alles weiterhin von mir ab. Auch wenn das bedeutet das der Problemmensch mich nicht mehr liebt. Also tat R. was sie immer tat, sie regelte die Situationen um sie herum, im schmerzhaften Wissen das sie ihrem Problemmenschen nie wirklich dabei helfen können würde sich endlich normal zu verhalten..
Es tut mir so leid für dich R. Du hast nichts falsch gemacht, du hattest einfach nur Pech.. Glaub mir wenn ich dir sage: Es gibt nicht nur Problemmenschen! Es gibt auch solche, die deine Bedürfnisse verstehen, achten und mit dir vernünftig durch die Welt gehen. Du bist noch jung und ich werde dir mit aller Kraft dabei helfen einen Menschen zu finden der sich deiner annimmt!