06/04/2025
Warum es absolut kontraproduktiv ist, einen aggressiven Hund zu strafen.
Hunde sind extrem friedliebende Tiere und gehen Konflikten aus dem Weg, wo immer es möglich ist. Dafür hat ihnen die Natur eine Fülle von körpersprachlichen Kommunikationsmöglichkeiten gegeben, die sogenannten "Calming Signals", die "Beschwichtigungssignale", die von der Norwegerin Turid Ruugas 2001 in einem gleichnamigen Buch zusammengefasst und veröffentlicht wurden. Diese Calming Signals dienen unter anderem dazu, dem Gegenüber zu signalisieren: "Ich habe kein Interesse an Konfrontationen."
Auch wir senden unbewußt eine Fülle von ähnlichen körpersprachlichen Signalen aus, wir nennen es oft "Verlegenheitsgesten".
Auch das sogenannte Unterwerfen des Hundes, also das sich auf den Rücken legen (welches immer freiwillig gemacht wird!) hat nichts mit einem angeborenen Hang zum Masochismus zu tun, sondern dient einfach nur dazu, eine friedliche Stimmung zu vermitteln, fast vergleichbar mit einem Hippie, der grinsend das Peacezeichen mit den Händen zeigend seine Friedfertigkeit demonstrieren will. Make love – no war.
„Aber es gibt doch so viele aggressive Hunde“, werden Sie jetzt zurecht sagen.
Ja, und diese aggressiven Hunde sind vom Menschen zu dem gemacht worden, was sie jetzt sind. Zum Beispiel indem man sie sich ständig gegenseitig an der Leine beschnüffeln läßt. Beide Hunde wissen, dass sie im Falle eines Falles keine Chance zur Flucht haben, bzw. sie im Vorfeld gar nicht erst dem Kollegen aus dem Weg gehen können, um eventuelle auftretende Konflikte zu vermeiden. Bevor der andere sich als Aggressor herausstellt, ergreift man lieber als Erster die Initiative und greift seinerseits an. So hat man im Notfall die besseren Karten.
Oder in den berühmten Welpenspielstunden, wo die lieben Kleinen zur angeblichen Sozialisierung alles unter sich ausmachen sollen und der Hundehalter auf keinen Fall einschreiten und zur Hilfe kommen darf. So lernen Hunde, dass Mobbing Spass macht, ein gutes Gefühl macht, und die gemobbten Hunde wiederum lernen, dass sie von ihrem Menschen nie Hilfe erwarten können und schützen sich ab sofort selber. Indem sie sicherheitshalber alles was entgegen kommt durch lautes Bellen oder Scheinangriffe versuchen einzuschüchtern. Vorsicht ist besser als Nachsicht.
Oder die Hunde, die Ihren Individualbereich nicht schützen dürfen. Zum Beispiel durch Knurren oder Abschnappen, wenn ihnen ein Kollege zu nahe kommt. Bedenken Sie, liebe Leser und vor allem Leserinnen, wie es Ihnen in so einem Fall gehen würde. Erinnern Sie sich an die berühmte Armlänge Abstand? Auch Ihr Hund hat das Recht auf Abstand, und das müssen Sie ihm erlauben in seiner Sprache zu kommunizieren. Das hat nichts mit Aggression zu tun. Würden Sie sich für einen aggressiven Menschen halten liebe Damen, wenn eine fremder Mann auf Sie zukommt, Ihnen an die Brüste fassen will mit den Worten: „Darf ich mal?“ und Sie ihm eine Ohrfeige verpassen würden? Das ist keine Aggression, das ist Selbstschutz.
Und wenn nun der Hundehalter in genau den gerade beschriebenen Situationen seinen Hund dafür maßregelt, genau dann entsteht Aggression seitens des Hundes. Genauso basteln Sie sich einen aggressiven Hund. Zuerst noch im Ansatz. Aber dann hat der Hundehalter in der Regel die Unart entwickelt, den eigenen Hund für das Wahren seines Individualbereichs und für das Vermeiden von Schmerzen und Verletzungen zu bestrafen. Durch einen Leinenruck, ein NEIN! AUS! PFUI!, ein Anzischen, einen Tritt, das Stechen der Finger in seine Seite. Und das sind noch die harmlosen Varianten einer Fülle von Strafen, die sich Hundehalter ausdenken, bzw. sich durch Gehirnwäsche von Hundetrainern und anderen Hundehaltern einleuchten lassen.
Und jetzt beginnt der eigentliche Teufelskreis: Der Hund wird fehlkonditioniert: Mit jedem Anblick eines anderen Hundes assoziiert der eigene Hund Angst vor Verletzung, Bedrohung oder gar Tötungsabsicht seitens des anderen Hundes plus der nicht minder entsetzlichen Strafe durch den einzigen Sozialpartner, den er in seinem kleinen Leben hat: Seinen Menschen. Also eine doppelte Bedrohung. Er assoziiert Schmerzen beim Anblick des anderen Hundes, die nicht mal dieser sondern der eigene Mensch ihm zugefügt hat. Und wie wird ein Lebewesen, welches Schmerzen hat?
Richtig – zur Bestie. So funktioniert zum Beispiel Stierkampf. Dem Stier ist doch erst mal völlig egal, dass da dieses lustig gekleidete Männchen mit einem Stück Stoff wedelt. Es sind die Schmerzen des ersten Einstichs, die ihn in die Wut und in die Raserei treiben. Wie reagieren die meisten Menschen, die Schmerzen haben? Sie werden wütend.
„Und wie komme ich mit meinem Hund jetzt aus dieser Spirale wieder heraus?“, werden Sie fragen. Es ist so einfach, und es liegt auf der Hand: Nein, nicht indem Sie Ihrem Hund nach TV-Trainer-Manier noch mehr Schmerzen, Bedrohungen und Ängst angedeihen lassen, sondern indem Sie noch mal ganz von vorne anfangen, und genau das machen, was Sie von Anfang an hätten machen sollen: Ihren Hund ernst nehmen, ihm Schutz, Sicherheit, Beistand und Ruhe geben, ihn beruhigen, wenn er aufgeregt oder gestresst ist und ihn sicher und schmerzfrei an Ihrer Seite durchs Leben führen.
Ihr IQ ist höher als der Seine – nutzen Sie ihn.
Eva Windisch
Hundetrainerin, Hundeverhaltensberaterin, Hundepsychologin, Hund-Mensch-Coach
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