17/08/2024
Leider auch in meinem Job viel zu oft.
Endokrine Hufrehe ist eine Krankheit, die wir nicht sehen sollten, denn wir wissen, wie sie entsteht und wie sie verhindern werden kann.
Ich gebe ehrlich meine Einschätzung zum Gewicht des Pferdes und benenne alle möglichen Konsequenzen. Neben Hufrehe, die absolut höllische Schmerzen mit sich bringt, sind es auch Themen wie Husten oder Sehenprobleme, starker Juckreiz uvm., die oft mit Übergewicht einhergehen.
Ein Teil der Kunden möchte es nicht hören. Ein Teil aber setzt nach dem ersten Schockmoment wirklich alle Hebel in Bewegung, um diese unvorstellbaren Schmerzen für ihr Pferd zu verhindern bzw. zu beenden. Und schafft es. Und das sind die großen Lichtblicke.
Denn leider gibt es auch immer wieder Fälle, die aus dem Schub kaum mehr rauskommen und man weiß einfach nicht warum. Oder noch schlimmer, man weiß warum, aber es ist für die Besitzer nicht vorstellbar, etwas am System zu ändern.
Wenn man in meinem Job unterwegs ist, trifft man immer wieder auf eine Situation, die die meisten Fachleute irgendwann aus dem Job treibt. Es ist eine der Herausforderungen, auf die ich meine Leute versuche so gut wie möglich vorzubereiten:
Eine Kundin, nennen wir sie Emma, kommt mit einem vorne lahmen und schlecht aussehenden Pferd in die Beratung. Der Rücken hängt, das Pferd ist lethargisch. Das Pferd ist viel zu dick. Aber das will Emma nicht hören. Der BCS sei gut (er lag bei 8) und überhaupt würde das Pferd ja jeden Tag bewegt. Der Trainer meinte auch dass das Pferd gut aussehen würde...
Emma wurde patzig in der Beratung. Denn meine Einschätzung war eine nicht so blumige wie die ihres direkten Umfeldes: EMS, evt. IR, chronische Hufrehe in the making. Das Pferd hatte Wendeschmerz und Puls, die Zehe viel zu lang und .... ein BCS von 8 (d.h. nicht reitbar) mit entsprechend schlechten Blutwerten u.a. der Leber. Eigentlich schon 5 nach 12.
Die Therapie: Tierarzt, Reduktion um 120kg, Hufkorrektur, Rekonvaleszenz (denn die Rehe war ja schon da) und Zeit. Bewegung nach Möglichkeit, Hufschutz.
Aber Emma war empört und damit endete der gemeinsame Weg.
2 Jahre später....Emma postet auf Insta. Das Pferd hatte mittlerweile 2-3 ernste Reheschübe. Die kamen aber natürlich nicht weil das Pferd so dick war etc. sondern wegen einer neuartigen, geheimnisvollen Krankheit...jaja. Das Pferd hat die Rehe auch deswegen bekommen und nicht wegen BCS8.
Emma wird jetzt durch die Firma gesponsert, die diese Wundermittel vertreibt, denn 1000 Euro an Zusatzkosten kann sie sich nicht leisten. Aber durch die neuartigen Wundermittel kann das Pferd ja nun wieder 24/7 auf die Weide und ans Heu. Das glaubt Emma zumindest...noch.
Das frustrierende ist: man hätte das alles vermeiden können. Die Rehen, die Kosten, das Leid. Aber es wäre halt ein kurzer Moment der Reflektion gewesen. Ein kurzer hässlicher Moment, wo man sich damit auseinandersetzen muss, dass es halt nicht so dolle war bislang. Stattdessen nimmt man einen wackeligen Quick-Fix der bei nächster Gelegenheit in sich zusammen bricht wie ein Kartenhaus.
Wie geht man damit um: man braucht einen unerschütterlichen Glauben, dass meistens am Ende alles gut wird. Man muss solche Dinge loslassen lernen. Man kann nicht jeden erreichen und jedem Helfen. So gern man es auch möchte. Man muss stets das gute im Menschen sehen und aufnehmen. Und auch wenn das eigene Gehirn sagt: "Mensch Mädchen, das hab ich Dir schon vor 2 Jahren gesagt." ist es nicht hilfreich darauf herum zu reiten.
Apropos reiten: das Pferd ist natürlich nicht mehr reitbar. Aber nicht wegen der vielen Rehen und dem immernoch bestehenden BCS von >7, sondern wegen der mysteriösen Krankheit.
Emma pflegt und Emma zahlt sobald das Sponsoring ausläuft. Und dann?
Beide tun mir wirklich unendlich leid. Und man muss lernen damit umzugehen. Sonst kann man diesen Beruf nicht machen.