07/10/2025
Gedanken einer Reise –
Wie das Erleben der Natur die Wichtigkeit der Zoos unterstreicht
In unserer Reihe „Einblicke in den Grünen Zoo“ geben wir regelmäßig Einblicke in die Arbeit im Grünen Zoo Wuppertal. Sachliche und informative Texte geben mit Fokus auf unsere Tiere, Projekte und unser Team, einen Einblick in unsere Mission und Vision.
In dieser Kolumne ist der Blick jedoch ein etwas anderer: persönlich, reflektierend und geprägt von einer Reise, die mich bewegt hat.
Solange ich mich erinnern kann, wollte ich Afrika besuchen. Eine echte Safari zu erleben und Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, stand ganz oben auf meiner Wunschliste. Nachdem ich als Kuratorin im Grünen Zoo Wuppertal angefangen hatte, wurde dieser Wunsch noch stärker. Schließlich buchte ich eine geführte Gruppenreise – zwölf Reisende, drei Wochen lang durch Südafrika, Namibia, Botsuana und Simbabwe.
Schon auf unserer allerersten Pirschfahrt hatten wir unglaubliches Glück. Wir sahen zahlreiche Tierarten in ihrem natürlichen Lebensraum: Elefanten auf dem Weg zum Wasserloch, Antilopen, die wachsam die Umgebung beobachteten, Giraffen, die sich nach Blättern streckten, und Raubtiere, die im Schatten ruhten. Viele Verhaltensweisen der Tiere, die ich täglich im Zoo beobachte, erkannte ich nun auch bei ihren Artgenossen wieder. Die Tiere in der ihrem angestammten Lebensraum zu sehen, jede Art mit ihrem natürlichen Verhalten, frei umherziehend, miteinander interagierend, faszinierte mich. Es machte mich aufrichtig glücklich für diese Individuen; und gleichzeitig ließ es mich über Zoos nachdenken. Mir wurde klar, wie sehr ich es genoss, die Tiere in der Natur zu beobachten und gleichzeitig unterstrich dies, wie wichtig die Arbeit ist, die wir in unserem Zoo leisten.
Die Wahrheit ist: Das Naturerlebnis, das Tausende von Touristen in Wildreservaten oder Nationalparks erfahren, ist nur ein Ausschnitt der Realität. Es ist der sichtbare, zugängliche Teil, doch dahinter verbirgt sich eine viel dunklere Wahrheit. Tausende Arten sind bedroht und jeden einzelnen Tag sterben über hundert Arten aus. Das ist die andere Seite der Natur, die die meisten Menschen nicht sehen oder nicht wahrhaben wollen.
Vielfältige Unterstützung von Natur- und Artenschutzprojekten im angestammten Lebensraum der Tierarten, Erhaltungszuchtprogramme, die Auswilderung und die Wiederansiedlung, Forschung und Umweltbildung - das sind entscheidende Gründe, warum Zoos so wichtige Arbeit leisten. Die Freude, Tiere in der Wildnis zu sehen, kann nicht getrennt werden von der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie nicht für immer verschwinden.
Während unserer sehr geschützten dreiwöchigen Reise führte ich viele Gespräche mit einem unserer Touristenführer. Seine Geschichte aus seiner Zeit als Ranger hat mich tief bewegt. Er erzählte, wie er eines Tages drei Spitzmaulnashörner tot auffand, deren Hörner von Wilderern für den illegalen Handel abgesägt worden waren. Es handelte sich um Tiere, die er praktisch großgezogen hatte. Dieses eine Erlebnis veränderte sein Leben. Nur eine Woche später verließ er seinen Job als Ranger und wurde stattdessen Touristenführer. Er erklärte mir, warum: So schmerzhaft es war, drei Individuen zu verlieren, es würde das Schicksal der Art nicht verändern, die Tiere als Ranger zu schützen. Doch Tausende Menschen zu erreichen, ihnen die Faszination und Schönheit der Tier- und Pflanzenwelt nahezubringen und sie den Wert des Naturschutzes verstehen zu lassen, das könne einen viel größeren Unterschied machen.
Diese Geschichte hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ich erkannte Parallelen zu unserer wichtigen Arbeit im Zoo. Auch bei uns geht es darum, die Sichtweise von Menschen zu verändern, ihnen die Augen zu öffnen für den negativen aber auch positiven Einfluss, den wir Menschen auf die Natur haben, um zu zeigen, warum intakte Ökosysteme wichtig sind. Das ist es, was unsere tägliche Arbeit antreibt.
Gleichzeitig wurde mir klar, was für ein großes Privileg es ist, nach Afrika zu reisen und die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben. Eine Reise buchen zu können, um Tiere in ihrem angestammten Lebensraum zu sehen, ist keine Selbstverständlichkeit. Doch auch Menschen, die nicht auf Safari gehen können, sollen lernen können, wie wichtig funktionierende Ökosysteme sind. Für sie spielen Zoos eine entscheidende Rolle. Unser Ziel ist es, Besucherinnen und Besucher zu bewegen, auch wenn es nur ein kleines Stück ist, damit sie nach Hause gehen mit dem Wunsch, in ihrem Alltag etwas zu verändern. Ob es eine große oder eine kleine Veränderung ist, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass sie den Drang verspüren zu handeln und sich selbst im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den Natur-, Arten- und Klimaschutz einsetzen.
Natürlich blieb auch bei mir nach meiner Reise das Gefühl zurück, dass es nie genug ist. Angesichts der globalen Bedrohungen wie den Klimawandel, der Wilderei oder des Habitatverlusts, kann man sich klein und machtlos fühlen. Doch gerade dann erinnern Begegnungen mit Menschen, Tieren und der Natur, dass Aufgeben keine Option ist. Menschen sind verantwortlich für das globale Artensterben und somit auch verantwortlich für das Schützen der noch verbliebenen Arten und das Kämpfen für die Natur. Hoffnung entsteht, wenn wir Wissen teilen, Begeisterung wecken und Samen säen, die in der Zukunft Früchte tragen.
So verband sich mein Erlebnis einer Reise in den Süden Afrikas mit der Arbeit im Zoo auf besondere Weise: Die Wildnis zeigt, was es zu bewahren gibt. Der Zoo zeigt, wie das Bewahren gelingen kann und dass jeder Mensch Teil dieser Verantwortung ist.
Text: Antonia Colán Bräunig
Foto: Gabriele Mangiafico