27/08/2025
Hier ein sehr schöner und informativer Artikel zum Clicker.
Nur eines wird leider nicht erwähnt: Der Marker - egal ob Wortmarker oder Clicker - hilft vielen Menschen erst einmal, den eigenen Hund genau zu beobachten. Zudem leitet er ein "kontrolliertes" Belohnungsystem beim Menschen ein. Damit meine ich, dass Mensch nun weiß, wie er Belohnen soll. Oftmals überschütten "markerlose Menschen" den Hund in der Belohnungssituation mit Wort-Durchfall, Keksen und verwuscheln dabei noch die Perücke. Häufig ist das zuviel Energie für den Hund.
Wichtig: Der Einsatz eines Merkers schließt jedoch eine kontrollierte (!) soziale Bestätigung nicht aus.
Der Clicker – genialer Trick oder biochemischer Glitch?
Viele schwören auf den Clicker. Schließlich gibt man damit ja kein Futter direkt – das ständige Leckerli-Geben kann mühsam sein. Außerdem wirkt der Clicker viel präziser.
Die Funktionsweise dahinter ist allerdings bemerkenswert – fast schon irre.
Wie der Clicker funktioniert
Zunächst wird der Clicker über klassische Konditionierung aufgeladen: Man gibt Futter und klickt dabei. Schon nach kurzer Zeit reicht der Click, damit der Hund Futter ERWARTET.
Der Click löst also Vorfreude auf das kommende Futter aus. Im Gehirn steigt der Dopaminspiegel: der Hund wird aufmerksam, motiviert und aktiviert sein SEEKING-System – er beginnt, nach der Lösung zu suchen, wie er an das Futter kommt.
Im Kern heißt das: „Click = jetzt muss ich etwas tun, damit Futter folgt.“
Das Paradox
Und hier wird es spannend: Wie kann der Click dann ein Verhalten belohnen, das bereits gezeigt wurde?
Die Antwort liegt im Timing. Klickt man innerhalb weniger Millisekunden nach dem erwünschten Verhalten, fällt die Dopaminausschüttung noch in den offenen Prozess. Das Gehirn verbindet die Vorfreude auf die kommende Belohnung mit dem gerade gezeigten Verhalten.
Das Futter selbst beendet den Zyklus, indem es über Endorphine Befriedigung und Sättigung vermittelt.
Anders gesagt: Der Click kündigt eine Zukunft an, rutscht aber durch geschicktes Timing in das eben gezeigte Verhalten hinein. Die Plastizität des Gehirns sorgt dafür, dass Vorfreude (eigentlich für Zukünftiges gedacht) im Gedächtnis an das Vergangene gekoppelt wird.
Die Theorie
Ich weiß, das verwirrt etwas. In der Theorie stellen wir uns das ja ein bisschen anders vor. Wir gehen davon aus, dass wir einen Lernabschnitt bestätigen. Und danach noch einen und danach noch einen. Wir gehen also davon aus, dass wir dem Hund mitteilen, dass er auf der richtigen Spur ist. Und wenn das Verhalten dann komplett zusammengesetzt ist, bekommt er die angekündigte Belohnung.
Das ist aber nur unser menschlich, gedankliches Konstrukt. Biologisch und neurologisch läuft in dem Hund allerdings etwas komplett anderes ab.
Viele, wenn nicht gar die meisten Lerntheoretiker, haben sich noch nie gefragt, wie das im Hund eigentlich funktioniert. Die würden über diesen Artikel hier lachen, weil sie ihn gar nicht verstehen.
Dabei ist es gar nicht so kompliziert. Der Hund lebt im Jetzt und kann gedanklich nicht in die Vergangenheit reisen und kann auch nicht in die Zukunft planen. Sein Gedächtnis setzt sich aus Erinnerungsschnipseln zusammen, die mit dem Gefühlsmix markiert werden, der damals vorlag. Erst wenn dieser Gefühlsmix später wieder vorliegt, kommt der Hund wieder an diese Erinnerung heran.
Wenn ich klicke, erzeuge ich eine Erwartung respektive Vorfreude auf kommendes Futter. Es wird Dopamin ausgeschüttet, der Hund wird motiviert eine Lösung zu suchen, die ihn dann zum Futter führt.
Ja, aber Moment, ich will doch dem Hund mit dem Klick nur einen Hinweis geben, dass er auf der richtigen Spur ist. Ich will ihm doch nur Futter ankündigen.
Das geht nicht. Das kannst nur du als Mensch verstehen. Der Hund lebt jedoch im Jetzt.
Es wird mit dem Klick also eine neue Gedächtnisse-Episode, ein neues Jetzt gestartet und die vorherige Episode wird Vergangenheit.
Der Hund kann nicht zurückschauen und sich sagen, es wird heißer. Der Hund startet eine neue Episode, die erneut eine Belohnung als Ziel hat. Der Hund ist nicht in der Lage, diesen Teilabschnitt zu markieren als wegweisend zum schlussendlichen Ziel.
Das ist nur unsere Vorstellung, da wir gedanklich die ganze Sequenz überblicken können.
Da die alte Sequenz noch nicht in das Gedächtnis übertragen wurde, rutscht die Vorfreude für die nächste Episode als Bestätigung da noch mit in die Episode mit rein, die gerade abgeschlossen wird.
Die Theorie, die wir Menschen uns zurechtgelegt haben und die auf menschlicher Wahrnehmung basiert, klingt simpel. Im Hund ist das allerdings etwas komplizierter, da er nicht unsere Fähigkeiten hat.
Die Nebenwirkungen
Damit tricksen wir also das Gehirn ein Stück weit aus. Der Hund bekommt Belohnungsschnipsel in seine Erinnerung eingespeist, die dort nicht wirklich hingehören:
Jeder Click steht für eine zukünftige Belohnung, auch wenn das Verhalten schon vorbei ist.
Das führt dazu, dass Erinnerungen entstehen, die mit „Ankündigung“ markiert sind, selbst wenn die Übung längst beendet ist. Es ist wirklich so skurril. Die Verhaltenssequenz wird mit Vorfreude der nächsten Sequenz bestätigt bzw. belohnt.
Das bildet natürlich ganz chaotische Erinnerungs Episoden. Ein Erinnerungsschnipsel, der mit Vorfreude belohnt wurde. Diese Erinnerungssequenz wird also mit einem Gefühlsmix markiert, den es im normalen Leben nicht gibt.
Und über diese Übungsfragmente stolpert der Hund dann jeden Tag.
Der Hund lebt im Jetzt und kann nicht wie wir abstrakt in Vergangenheit oder Zukunft springen. Er markiert Erinnerungen mit dem Gefühlsmix, der in diesem Moment vorlag. Tritt dieser Gefühlszustand wieder auf, ploppen entsprechende Erinnerungen auf – manchmal chaotisch und unsortiert.
So spicken wir das Erinnerungsnetz des Hundes mit künstlichen Episoden, in denen angekündigtes Futter eine Rolle spielt. Der Hund stolpert später über diese Erinnerungen, wenn ähnliche Gefühle wieder auftreten.
Wir haben also in den Hund Erinnerungen platziert, die bei ähnlicher Gefühlslage aktiviert werden. Der Hund macht also einen Schritt und plötzlich kommt Vorfreude auf auf eine Belohnung auf und er weiß nicht warum.
Und in der Praxis?
Ein zusätzlicher Nebeneffekt: Jeder Click macht aktiv. Der Hund sucht automatisch nach der nächsten Belohnung. Ob wir die Übung beenden oder zur Ruhe kommen wollen, spielt für ihn keine Rolle. Für ihn heißt der Click immer: „Gleich kommt Futter – finde die Lösung!“
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👉 Fazit: Der Clicker ist ein genialer Mechanismus, aber er arbeitet nicht mit echter sozialer Rückmeldung, sondern nutzt eine biochemische Schwachstelle im Hundehirn aus. Das verstärkt Aktivierung und Erwartung – aber nicht unbedingt Verständnis oder Ruhe.
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PS: Der Artikel erhielt einen richtig guten Kommentar. Deshalb ergänze ich dies hier gleich einmal.
„Im Hundesport habe ich bei den Übungen mit dem Clicker richtig gute Ergebnisse erzielt. Man müsse vielleicht unterscheiden zwischen Sport und Alltag.“
Das ist ein wunderschöner Einwand – und er lohnt es, genauer betrachtet zu werden.
Selbstverständlich funktioniert der Clicker im Hundesport perfekt. Doch der größte Teil dieses Sports basiert bis heute auf einer über 120 Jahre alten Annahme: Hunde seien Reiz-Reaktions-Maschinen, die nur über Konditionierung lernen könnten. Man weiß inzwischen längst, dass Hunde sehr viel differenzierter wahrnehmen und handeln. Der Hundesport hat sich diesem Wissen aber kaum angepasst – dort wird immer noch der „bestdressierte“ Hund prämiert.
Kann man also alten Hundesport betreiben und den Hund im Alltag völlig anders führen? Im Sport werden Tricks konditioniert, im Alltag sollen Impulskontrolle und Frustrationstoleranz gelten?
Gerade beim Clicker sieht man das Problem deutlich: Er nutzt – wie jede Konditionierung – eine Lücke im Belohnungssystem. Die Vorfreude wird so stark, dass der Hund seine natürlichen Abwägungen unterdrückt und möglichst schnell und präzise reagiert. Für Wettbewerbe ist das erwünscht. Auf sozialer Ebene bedeutet es jedoch, dass der Hund lernt, Reizen nicht mit Selbstbeschränkung zu begegnen, sondern ihnen reflexhaft zu folgen.
Im Alltag erwarten wir aber das Gegenteil: Dass Hunde bei Reizen innehalten und mit Ruhe reagieren. Und wir wissen alle, wie schwer das fällt. Sonst müssten wir sie nicht ständig mit Kommandos steuern. Genau wie im Sport hängen wir auch im Alltag Verhalten an das Versprechen auf Belohnung. Damit haben wir den Hunden aber beigebracht, dass hinter Reizen immer etwas Spannendes wartet – und dass Zurückhaltung nichts bringt.
Natürlich könnte ein Hund sich auch ohne unsere Kommandos gesellschaftstauglich verhalten. Er würde von sich aus nach dem Prinzip handeln, Reizen möglichst mit Selbstbeherrschung zu begegnen. Aber dieses Prinzip hebeln wir durch die ständige Übersteigerung der Vorfreude aus.
Am Ende des Tages stauen sich diese Versprechen auf. Der Hund muss zusätzlich „ausgelastet“ werden, weil die Spannung nicht von allein abfällt. Und es überrascht dann niemanden, dass ein solcher Hund irgendwann explodiert – sei es mit einem wilden Sprint, einem zerfetzten Kissen oder im Streit mit einem Artgenossen.
Also nein, man kann den Widerspruch zwischen dem sehr alten Hundesport und im Alltag nicht auflösen.
Konditionierung heißt den Hund zu aktivieren und ihn dazu bringen Reize ohne Filter durchlaufen zu lassen. Das ist die allgemeingültige Regel die der Hund als sozialen Aspekt daraus ableitet.
Ein kompletter Widerspruch dagegen ist jedoch das natürliche Verhalten des Hundes, wo er danach strebt Reizen mit Selbstbeherrschung entgegenzutreten.
Also welche Regel gilt denn nun? Reize generell in den Griff kriegen oder Reize einfach durchlaufen lassen?
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