
20/11/2024
Anders sein
„Wie eigenartig diese Welt doch ist“ denkt sich Pepe, während er den anderen Kindern aufmerksam dabei zusieht, wie sie an dem ihm gegenüberliegenden, verriegelten Metalltor freudig auf- und abhüpfen. Warum sie das tun, versteht er nicht. Genauso wenig versteht er, weshalb jemand von ihm erwarten könnte, es ihnen gleichzutun.
Nachdenklich betrachtet Pepe seine, für diesen dreckigen Ort, viel zu sauberen, kleinen Pfoten. Weiß sind sie, mit roten Punkten, in welchen er sich schon so oft verloren hat. „Menschen, sie machen das, wenn die Menschen kommen“ stellt er analytisch fest – und ist froh, wenigstens für diesen einen Moment allein zu sein.
Fünf Wochen ist es nun bereits her, dass Pepe mitsamt seiner Mama und seinem Bruder hierhergebracht wurde, doch dem ersten Anflug von Erleichterung, nicht mehr frieren, nicht mehr hungern zu müssen, folgte das Gefühl einer noch nie da gewesenen Leere.
Unsicher sieht Pepe sich um; spürt, wie seine toughe Fassade allmählich Risse bekommt, zu bröckeln beginnt. Und während er sich abermals fest vornimmt, mutig zu sein, beschäftigte ihn insgeheim etwas ganz anderes: Seine einzigen zwei Verbündeten, sein Halt, seine Familie, sind fort.
In einer kalten, rauen Welt sind emotionale Besitztümer wie Sicherheit und Schutz ein Privileg von unschätzbarem Wert. Pepe weiß das - und dennoch kann er nichts gegen dieses unangenehme Kribbeln ausrichten, welches sich Lavagleich einen Weg durch seinen Körper zu brennen scheint; von ihm Besitz ergreift. Zudem ist es ihm noch nie besonders leicht gefallen, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, geschweige denn neue Kontakte zu knüpfen- oder gar Freundschaften zu schließen. Zu oft schon wurde er missverstanden- oder was am allerschlimmsten war: Einfach ignoriert.
Und so war er auch dieses Mal inmitten von vielen – und dennoch allein.
Weiter geht es in den Kommentaren ♥️